Im Jahre 1957 schrieb Cyril N. Parkinson „Parkinson’s Law“, ein Buch über die wundersame Vermehrung von Beamten und Arbeit. Die Staatsbeamten folgen dabei dem Prinzip der Zellteilung. Sie müssen nur andauernd und eindringlich genug über ein Zuviel an Arbeit klagen. So, dass ihr Chef irgendwann einlenkt und die Einstellung zweier weiterer Beamter genehmigt. Der über die Arbeitsmenge klagende Beamte hat damit die Chance, seine Aufgaben in zwei Teile zu teilen, diese gleichberechtigt den beiden Neulingen zuzuteilen und selbst durch die Zusammenführung der Aufgaben die Kontrolle über das Ganze zu behalten. Aus eins entsteht so drei und etwas später aus drei sieben. Sieben Beamte machen jetzt das, was ein Beamter zuvor allein tat, und könnten sich damit zufriedengeben. Machen sie aber nicht. Stattdessen erfinden sich gegenseitig Arbeit. In Form von Prozessbeschreibungen und Arbeitsanweisungen, von Qualitätsstandards und Compliancerichtlinien, von Arbeitssicherheitsbegehungen und Optimierungsworkshops. Nicht zu vergessen die Ermahnungen, die an die Einhaltung von Regeln erinnern, die nur deshalb geschaffen wurden, damit sieben Beamte die Arbeitsaufgabe bewältigen, die vorher einer allein übernahm.

Das, was sich bei Parkinson wie eine Glosse liest, erleben wir grade in Deutschland. In wenigen Wochen wird die Anzahl der Bundesbeamten zum ersten Mal die magische Grenze von 30.000 passieren. Im gesamten öffentlichen Dienst arbeiten 2023 nach Angaben des Deutschen Beamtenbundes (dbb) 5,096 Millionen Beschäftigte für Bund, Länder und Gemeinden[1]. Hinzu kommen die Beschäftigen in den Eigenbetrieben, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und NGOs, um nur einige zu nennen. Und die sind nicht untätig. So galten in Deutschland zum Stichtag 2. Februar 2022 1.773 Gesetze mit 50.738 Einzelnormen, 2.795 Rechtsverordnungen mit weiteren 42.590 Durch- und Ausführungsbestimmungen[2], sowie ungezählte kommunale Verfügungen und Verordnungen. Trotz aller Entbürokratisierungsprojekte bedeutet das eine Steigerung um 16%. Bereits 2005, so berechnete der deutsche Rechtswissenschaftler Ulrich Karpen, war jeder Deutsche durch rund 150.000 Einzelvorschriften gebunden.[3] So wird alles geregelt, was nur irgendwie geregelt werden kann: Das Leben am Tag und in der Nacht, das Leben zuhause und auf der Straße, das Leben bei der Müllentsorgung und beim Verbrauch von Energie, das Leben in der Demokratie und in der Gleichstellung, das Leben als biologischen und soziales Geschlecht.

Angesichts dieser wundersamen Zellteilung und Arbeitsvermehrung mag es als kleiner Trost gelten, dass die Bundesregierung in den nächsten Wochen den Konsum und Besitz von Cannabis freigeben möchten. So lässt sich diesem regulierten Leben eine perfekte Dröhnung entgegensetzen. Hauptsache man kifft nicht mehr als 25 Gramm/Tag oder 50 Gramm/Monat, ist über 21 Jahre alt, anderenfalls gibt es nicht mehr als 30 Gramm/Monat, bezieht den bewusstseinserheiternden Stoff von nichtgewinnorientierten Vereinen mit weniger als 500 Mitglieder und kifft in Fußgängerzonen erst nach 20 Uhr. Wetten, dass an dem Entwurf des Gesetzes 372 Beamte gearbeitet haben.

[1] https://www.haufe.de/oeffentlicher-dienst/personal-tarifrecht/zahlen-zur-beschaeftigung-im-oeffentlichen-dienst-2017_144_393012.html

[2] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/anzahl-gesetze-rechtsverordnungen-deutschland-antwort-der-bundesregierung/

[3] Lotter, Wolf: „Regelbrecher“ in brandeins, Juli 2021