Ein jeder von uns kennt Situationen, da zwischen zwei Kollegen oder zwei Teams nichts, aber auch gar nichts mehr geht. Das Misstrauen unter den Parteien ist grenzenlos, die zugerechnete Inkompetenz abgrundtief und die Kommunikation ausgetrocknet wie der Bachlauf hinter meinem Haus nach mehreren heißen Juliwochen. Sprachlosigkeit, Abneigung oder gar Feindseligkeit haben Einzug gehalten und wir Außenstehende harren mit Schaufel und Besen vor dem Konflikt, bereit die zu erwartenden Scherben zusammenzukehren.

Doch so, wie am Ende das Böse in seiner absoluten Form und in Gestalt der jeweils anderen sich gegenübersteht, gibt es auch dessen Entstehen. Friedrich Glasl beschreibt jenes Wachsen und Werden in Form von neun Eskalationsstufen, die zielgerichtet in den Abgrund führen. Den Anfang mag ein Missverständnis oder eine Meinungsverschiedenheit bilden, in deren Ergebnis sich die Positionen verhärten. Dem folgen Polarisation und erste Handlungen, um die eigene Position zu verdeutlichen. Natürlich löst das Gegenreaktionen aus und die Konflikteure beginnen Koalitionen zu bilden. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Oder wie man früher sang: Sag mir, wo du stehst, und ich sage dir, welchen Weg du gehst. Zudem gilt es das Gesicht zu wahren. Zugeständnisse würden lediglich die Gegenüber stärken, die inzwischen als Gegner wahrgenommen werden. Dann schon eher drohen, einschüchtern und vielleicht auch bereits den ersten Schlag setzen. Bis nichts mehr geht außer dem gemeinsamen Weg in den Abgrund.

Dieses Entstehen des Bösen erleben wir momentan nicht nur in Unternehmen, sondern ebenso in Lieferketten, in Politik und in der Gesellschaft. Wir neigen dazu, Menschen mit unliebsamer Meinung so weit in die Ecke zu drängen, bis den solchermaßen Gedrängten scheinbar nichts bleibt, als sich herauszuboxen. Und wir uns daraufhin bestätigt fühlen, um mit einem „Nun erst recht“ die Faust zu heben.

Goethe wird das Zitat zugeschrieben, die Schönheit läge im Auge des Betrachters. Mir scheint, als wäre es beim Bösen ebenso. Demzufolge wird das Böse erst dann aufhören das Böse zu sein, wenn wir es als solches nicht mehr wahrnehmen. Es liegt an uns, die Glasl‘schen Eskalationsstufen nach oben oder unten zu steigen.