Unternehmen leben von den Aufträgen ihrer Kunden. Diese Binsenweisheit wird auch als Wertschöpfung bezeichnet. Eben der Prozess, bei dem aus Rohmaterial und Zulieferteilen ein fertiges Produkt gezaubert wird. Und zwischen den Rolltoren wirken Expertise und Effizienz, Kompetenz und Können, Verlässlichkeit und Vertrauen.
Neben Aufträgen gibt es in den Unternehmen aber auch Beauftragte. Man erkennt sie an ihrer Unauffälligkeit. Und daran, dass sie für etwas verantwortlich sind, von dem das Management glaubt, dass es die mit der Wertschöpfung beschäftigten nicht oder nicht ausreichend beachten würden. Also beispielsweise den Brandschutz, die Arbeitssicherheit oder die Kennzeichnung von Gefahrstoffen.
Ihre historischen Wurzeln haben die Beauftragten in der Politik. Dort werden sie genutzt, um mit Themen, für die die Ministerien keine Verwendung haben, Nachwuchskader in eine Art hierarchische Warteposition zu bugsieren. Allein die deutsche Bunderegierung hat so viele Beauftragte, dass sie deren Anzahl selbst nicht genau kennt. So wurde als Antwort auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Januar 2023 deren Menge von 35 bis 42 angegeben. Natürlich, in dem Beauftragtenportfolio, das von der unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung über den Queer-Beauftragten bis zum Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit reicht, kann man schnell die Übersicht verlieren.
Doch zurück zu den Unternehmen. Die Verbindung zwischen betrieblichen Aufträgen und betrieblichen Beauftragten besteht nun zum einen darin, dass mit ersteren das Geld erwirtschaftet wird, um das Dasein der zweiten zu finanzieren. Die Beauftragten beschränken daraufhin mit ihrer sehr fokussierten Perspektive wiederum, wie die Wertschöpfung stattzufinden hat. Der Energieeffizienzbeauftragte kontingentiert die Kilowattstunden und die Gleichstellungsbeauftragte sorgt sich um die Diversität am Montageband. Die Gesundheitsbeauftragte organisiert die wöchentliche Yoga-Stunde und der Datenschutzbeauftragte achtet auf die Codierung der Namen in deren Anmeldeliste. Die Compliancebeauftragte disputiert, bis zu welcher finanziellen Grenze Kunden zu einem Abendessen eingeladen werden dürfen, und der Customer Relationship Beauftragte klügelt über Möglichkeiten, diese Complianceregeln zu umgehen. Diese Liste lässt sich fortsetzen, beispielsweise mit den Beauftragten für Umwelt, Social Responsibility, Normen, Public Relation, Lobbyarbeit…
Angesichts dieser Menge drängt sich die Frage auf, warum es eigentlich immer mehr Beauftragte im Unternehmen gibt und immer weniger Menschen, die sich um die Aufträge kümmern? Das wäre das tatsächlich einen Beauftragten wert. Ich würde ihn Wertschöpfungsbeauftragten nennen.