Es hat den Anschein, als triumphiere das Lernen im Unternehmen. Zumindest, was das Errichten von Lernoptionen betrifft. Kaum eine Abteilung, die nicht die anderen mit Lernzielen und Lerninhalten flutet. Von Arbeitssicherheit und Datenschutz über die neuesten Normen und ethischen Prinzipien bis zu den Inhaltstoffen im Kantinenessen und die korrekte Formulierung einer genderneutralen Ansprache – nahezu jeder Bereich glaubt etwas vermitteln zu müssen, von dem er annimmt, dass es andere Abteilungen unbedingt lernen sollten. Und da die Form den Inhalt transportiert, inflationiert auch hier das Angebot. Lebenslanges Lernen kokettiert mit lernenden Organisationen, die Personalentwicklung verteilt E-Learnings wie früher die Kantine Butterbrote. Der Werksfunk spielt Podcasts statt Marschmusik und jeder Abteilungsleiter kämpft um sein eigenes Lernportal. Die im Weiteren alle miteinander zu vernetzen sind. Doch leider hat die IT-Abteilung keine Ressourcen, da sie sich in der Zwischenzeit als Produzenten von Lernvideos verstehen.
Sobald ein neues Format existiert, wird es genutzt. In welcher Form auch immer. Egal, ob es für das Lernen geeignet ist oder nicht. Hauptsache Agilität demonstrieren, Hauptsache Aufmerksamkeit im Intranet erzeugen: ein paar Erwähnungen, ein paar Likes und einige Kommentare. Könnte es sein, dass wir Lernen mit dem Agieren in sozialen Netzwerken verwechseln?
Diese Entwicklung ließe sich als vorübergehender Trend ignorieren, wenn nicht jedes Lernangebot zu seiner Vervollkommnung Lernender bedürfte. Also werden die Mitarbeiter der anderen Bereiche zu den Kursen verpflichtet. All die Lerninhalte, von denen ihre Schöpfer glauben, sie wären wichtig für die anderen Abteilungen, werden deren Mitarbeitern aufgedrängt. Natürlich kurzfristig terminiert, mit getracktem Lernfortschritt und am besten mit nachfolgender Wissensabfrage. Egal, ob sie diese Inhalte für ihre Arbeit benötigen oder nicht. Selbstbeschäftigung im Unternehmen erklimmt so eine neue Dimension.
Natürlich mag diese Art von Lernen fremdbestimmtem Push-Lernen das eine oder andere Mal notwendig sein. Ich mag das gar nicht abstreiten. Dennoch halte ich es an der Zeit, das Lernen im Unternehmen zu überdenken. Denn Lernen verfolgt eben nicht die Selbsterfüllung sich als Heilsbringer wähnender Kollegen. Stattdessen sind Wissen und Können Werkzeuge, welche zu einem bestimmten Zeitpunkt der Arbeit benötigt werden. Die Einschätzung darüber obliegt demjenigen, der die Arbeit ausführt. Dieses selbstgesteuerte Pull-Lernen ermöglicht die effizienteste Form der Wissensaneignung: bedarfsgenau, aneignungsgerecht und zeitoptimiert. Es wäre schön, wenn die Personalentwicklungsbereiche vielmehr ein solches Lernen unterstützen würden.