Es ist ein Mysterium der menschlichen Psyche, dass wir immer das finden, was wir suchen. Niemals aber das, was wir nicht suchen. Einfach deshalb, da unser Bewusstsein auf das erstere ausgerichtet ist und das andere ausblendet wird. Ähnlich ist es mit dem Messen. Wir ermitteln das, was wir ermitteln möchten, und beziffern es anschließend mit einem Wert. Den wir wiederum mit dem euphemistischen Begriff „Kennzahl“ etikettieren. Als würden wir wirklich kennen, was wir mit der Zahl belegen, und könnten nun zielgerichtet steuern. Leider bleibt dabei in vielen Fällen das Ausgeblendete außen vor. Nehmen wir nur die Kennzahl „Produktivität“. Die ermittelt sich aus dem Verhältnis von Output zu gesamt eingesetzten Ressourcen und gilt dann als gut, wenn sie möglichst hoch ist. Also lassen die Werksmanager ihre Produktionsmitarbeiter einschließlich deren Maschinen arbeiten, was das Zeug hält. Irgendwer muss doch all die neu geschaffenen Compliance-, Gleichstellungs- und Marketingstellen im Headquarter kompensieren. Das geht auf Kosten der Wartung der Maschinen wie der Qualifizierung der Mitarbeiter und rächt sich irgendwann. Aber hoffentlich erst im nächsten Jahr. In diesem Jahr ist die Zielvorgabe der Produktivität zu erreichen. Oder nehmen wir den Vertrieb. Dessen Leistung wird mit Kundenbesuchen pro Zeiteinheit und Umsatz pro Auftrag ermittelt. Weswegen die Vertriebe kaum Zeit haben, langfristige Kundenbindungen aufzubauen, und weiterhin dazu neigen, dem Kunden fantasievolle Lieferzeiten sowie unendliche Variantenvielfalt zu versprechen, was den Produktionern im Nachhinein ausreichend Schwierigkeiten bereiten wird. Auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette logiert der Einkauf. Der wird nach Stückkosten bewertet. Je geringer, desto besser. Also werden Mengenrabatte gezogen und die Mengen dann auch angeliefert. Zweitausend statt fünfhundert benötigter Stück. Im Einzelpreis erheblich günstiger. Nur langen eben die überzähligen Teile für die nächsten Jahre und treiben die Bestandskosten nach oben.

Es gibt so viele Kennzahlen im Unternehmen – die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden. Und immer, wenn uns bestimmte Dinge aus dem Ruder zu laufen scheinen, sind wir geneigt eine neue Kennzahl zu erfinden. Vielleicht sollten wir mal den umgekehrten Weg probieren. Uns auf wenige wichtige Kennzahlen beschränken und der Unschärfe dazwischen mit Gemeinsamkeit und Kreativität begegnen. Aber ich befürchte, dass die Manager daraufhin die Teamgeistrate und den Gemeinschaftskeitsindex zu messen beginnen.