Vor einigen Tagen las ich in meiner Heimatzeitung, die aufgrund befürchteter völkischer Assoziationen so nicht mehr genannt werden will, von einem Uhrenhersteller in der Sächsischen Schweiz. Genauer gesagt einem aus Glashütte, wo man Chronographen fertigt, für die man sich auch einen Kleinwagen an das Handgelenk binden könnte, wäre der nicht erheblich zu schwer. Dieser Uhrenhersteller sorgte sich nun um die um ihn herum erstarkende AfD, den zunehmenden Faschismus und sein Image. Was geschieht, wurde eine Gesellschafterin in dem Beitrag zitiert, wenn uns unsere Kunden Fragen zu stellen beginnen? Beispielsweise, ob ihre Uhr von einem Nazi zusammengeschraubt wurde? Oder aus den Merkmalen des Produkts Duldung oder gar Sympathie für rechtes Standing gedeutet würde? Der Autor sparte nicht mit Lob über einen solchen klaren Klassenstandpunkt. Immerhin wäre der Uhrenhersteller eines der wenigen Unternehmen, das sich eindeutig gegen rechts positionierte, während nahezu alle DAX-Konzerne schweigen würden.

Mich beeindruckte der Beitrag sehr und ich überlegte, dazu eine Kolumne zu schreiben. Glaubt man den Wahlforschungsinstituten, werden in diesem Jahr und in dieser Region nahezu dreißig Prozent die AfD wählen. Also etwa jeder Dritte der beim Bäcker Wartenden. Diese Kolumne, überlegte ich, müsste nicht das Spaltende, sondern das Gemeinsame betonen. Das miteinander leben und auskommen, das aufeinander zu gehen. Es ist doch nicht die komplette Viererkette einer Fußballmannschaft Nazi. Unter den AfD-Wählern sind auch Mitläufer, Gefrustete. Menschen, die in einer Diktatur groß wurden, und nun aus den von der Politik gesendeten Signalen die Wiederkehr eines Regimes zu erkennen glauben. Wie viele der acht Elternpaare einer 25-kindrigen Grundschulklasse könnten wir aus der Fascho-Ecke, in die sie gestellt wurden, herausholen? Indem wir mit ihnen reden, ihnen reale Zwänge erklären und die ideologisierende Politik zugunsten einer pragmatischen, für alle Seiten akzeptablen Entwicklung korrigieren.

Doch dann kamen die Selbstzweifel. Würde ich nicht mit einer solchen Kolumne selbst in das Fadenkreuz der Demokratiebewahrer geraten? Von denjenigen, die die Laternen meiner Heimatstadt mit „FCK AfD“ oder „Nazis ausrotten“ Aufklebern überziehen. Die Briefkästen anzünden, Reifen zerstechen und besonders missliebigen Personen mit Holzlatten auflauern. Und was würden meine Freunde und Kollegen dazu sagen, wenn ich so in den Ruch des Rechten geriete? Würden sie von mir abrücken, obwohl sie nicht so recht sagen könnten, was mir vorzuwerfen sei? Würde ich abgeschnitten sein, Aufträge verlieren und von Leuten hofiert werden, mit denen ich mich noch nie gemein fühlte?

Irgendwie bin ich froh, dass ich diese Kolumne, die mir in Anbetracht der Reportage in den Sinn kam, nicht geschrieben habe…