Wir leben in einer Arbeitswelt, die es sich auf die Fahne geschrieben hat, uns Lebenssinn zu verschaffen. Nicht mehr allein die Familie, die Freunde oder die Heimat sollen uns Erfüllung geben, sondern ebenso das Verfassen von Serienbriefen oder das Einräumen von Supermarktregalen. Dafür richteten nicht wenige Unternehmen Stellen für Corporate Sensemaker oder Feel-Good-Manager ein. Diese Sinn- und Spaßbeauftragten laden uns daraufhin zu Teamworkshops und umkränzen uns dort mit blumigen Bedeutungen. Der Teamleiter in der Produktion eines Automobilzulieferers mutiert so zum heroischen Verteidiger des Industriestandortes Deutschland und die Mitarbeiterin des Steuerbüro zur Hüterin fiskalischer Gerechtigkeit. Die Männer von der Müllabfuhr sind schon länger als Bewahrer der Kreislaufwirtschaft unterwegs und das Abtippen von Kundenadressen gilt als Content Creating im Customer Relationship Management.

Was mit solchen schwülstigen Schwurbeleien jedoch tatsächlich gemeint ist, haben andere bereits erfahren. Beispielsweise die Pflegefachkräfte, denen die Politik erst Beifall klatschte und anschließend vergaß, ihnen die wirtschaftlichen Grundlagen für die versprochenen höheren Löhne zu schaffen. Oder die Lehrer, die als interkulturelle Transformatoren bejubelt wurden, um sie kurze Zeit später in fachfremden Vertretungsstunden auszulaugen.

Ernsthaft, ich habe noch keinen Mitarbeiter erlebt, der über eine solche Hochstilisierung glücklich gewesen wäre. Denn wir ahnen intuitiv, dass der angediente Hochmut vor dem Fall kommt. Dass die Überhöhung der täglich verrichteten Tätigkeit keinen anderen Zweck hat, als die momentane Fachkräftelücke zu überbrücken. So lange, bis Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Robotik preiswertere Alternativen zur menschlichen Arbeitskraft bieten.

So gesehen, waren die früheren Zeiten ehrlicher. Da gab es kein Sense Making, sondern nur Sense Living. Mit klaren Ansagen statt Wohlfühlduselei und Händehalten: Das erwarte ich von dir und das zahle ich dafür. Worauf wir mit unserem Lohnscheck nach Hause gingen und unseren Lebenssinn beim Schreiben von Gedichten, dem Basteln eines Gebirgsmassivs für die Modelleisenbahn oder dem Blasen der Tuba im örtlichen Feuerwehrorchester fanden.