Ende Januar beginnt die Zielvereinbarungszeit. Die Dramaturgie der damit verbundenen Gespräche ist dabei weit im Voraus bekannt. Hunderttausende von Führungskräften setzen in den nächsten Wochen Millionen von Mitarbeitern vor ihre Schreibtische, um mit ihnen die Ziele für das laufende Jahr auszuhandeln. Die eine Seite des Schreibtischs fordert höheres Engagement, steigende Umsätze oder die Erledigung zusätzlicher Arbeiten. Wahlweise auch besseres Kosten- und Qualitätsbewusstsein. Die andere Seite des Schreibtisches verweist auf die als zu gering empfundene Entlohnung, auf eine unausgeglichene Work-Life-Balance und die zu vielen Überstunden. So entspinnt sich ein Handel, der sich auf das Prinzip „Gibst du mir, gebe ich dir.“, alternativ „Mehr Leistung für mehr Geld“ reduzieren lässt.
Das ist tatsächlich sehr schade, denn damit schrumpft die Zusammenarbeit auf eine rein ökonomische Gleichung. Der Mitarbeiter mutiert zum schlichten Leistungserbringer, der mangels technischer Entwicklungen noch nicht durch eine KI, einen Roboter oder einen digitalen Zwilling ersetzt werden kann. Die Führungskraft verzwergt als Hüter eines sozio-technischen Systems, dessen einzige Aufgabe es ist, die Apparatur möglichst effizient am Laufen zu halten. Kein Wort über Schwachstellen und Herausforderungen, kein Gedanke über Zukunft und Entwicklung, keine Inspiration zu Verbesserung und Innovation.
Dabei gäbe es viel zu besprechen. Beispielsweise die Lebenspläne des Mitarbeiters und wie diese mit den Entwicklungen im Unternehmen verknüpft werden könnten. Oder über die Vorhaben des Unternehmens und die daraus entstehenden Möglichkeiten, sich einzubringen. Über die Wahrnehmungen des Mitarbeiters zu den Stärken und Schwächen des Bereichs. Über seine Vorstellungen, die bestehenden Produkte und Prozesse zu disruptieren. Über Verbindungen und Netzwerke, Risiken und Chancen…
Gut möglich, dass sich unsere Führungskraft dieser eingangs erwähnten drögen Agenda irgendwann bewusst wird. Wir dürfen darauf hoffen. Oder aber die Formalie Zielvereinbarungsgespräch in unserer Regie zu einem wahren Dialog gestalten. Einem, bei dem sich die Sätze miteinander verschränken, und die Argumente aufeinander aufbauen. Bei dem beide miteinander klüger aus dem Zwiegespräch gehen, als sie hineingingen. Wenigstens zur Hälfte haben wir es in der Hand.